BUND Landesverband
Rheinland-Pfalz

Fachgespräch mit Expert*innen zu Verkehrspolitik in Zeiten des Klimawandels: BUND-Position zu Bundesverkehrswegeplan und Ausbau der B 10 untermauert

08. Mai 2024 | Mobilität, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz, Wälder

Prof. Dr. Manz trägt vor zum Thema "Ausbau der B10 - Notwendigkeit für die Gesellschaft?"

Mainz. Auf Einladung des BUND Rheinland-Pfalz informierte eine Runde von Expert*innen Interessierte aus Politik, Verwaltung und Verbänden zum Thema „Verkehrspolitik in Zeiten des Klimawandels – am Beispiel des projektierten Transitkorridors durch das Biosphärenreservat Pfälzerwald“. „Wir fühlen uns durch die Ausführungen der Wissenschaftler*innen in unserer kritischen Haltung gegenüber dem Bundesverkehrswegeplan im Allgemeinen und gegenüber dem geplanten Ausbau der B 10 im Speziellen bestärkt“, resümiert BUND-Landesvorsitzende Sabine Yacoub.

Die etwa vierstündige, vom bekannten Umwelt-Journalisten Werner Eckert moderierte Veranstaltung beleuchtete die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln: In seiner Einführung erläuterte BUND-Verkehrsexperte Dr. Werner Reh, dass im aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) die durch seine Umsetzung verursachten Treibhausgas-Emissionen nur unvollständig berücksichtigt seien.

Prof. Dr. Wilko Manz, Leiter des Institutes für Mobilität und Verkehr der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau, ging auf die Frage ein, ob der Ausbau der B10 eine gesellschaftliche Notwendigkeit sei. Er stellte fest: „Unsere heutigen Diskussionen und Entscheidungen basieren sehr stark auf unseren eigenen aktuellen Bedürfnissen und werden von unserem begrenzten Vorstellungsvermögen über die Zukunft behindert.“ Wir sollten uns aber besser die Frage stellen: „Welche Entscheidungen werden sich unsere Enkel im Jahr 2100 von uns heute gewünscht haben?“ Unter dieser Perspektive seien insbesondere die Aspekte des Klimaschutzes von besonderer Bedeutung. In Bezug auf die B 10 erläuterte Manz, dass die Angebotsqualität einer Verkehrsverbindung über die Richtlinie Integrierte Netzplanung (RIN) bewertet werde. Nach dieser Richtlinie erreiche die B 10-Verbindung Pirmasens-Landau bereits jetzt ohne den Ausbau die Qualitätsstufe A (sehr gut). Die gleiche Verbindung per Bahn erreiche lediglich die Qualitätsstufe D (ausreichend). Es gebe durchaus Verbesserungsbedarf an manchen Stellen der B 10, dafür müsse sie aber nicht 4-streifig ausgebaut werden. Die durch den 4-streifigen Ausbau zu erreichenden Reisezeitgewinne von meist wenigen Minuten würden in keiner Weise zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Pirmasens beitragen. Für die Region Südwestpfalz und Pirmasens empfahl er, statt an der „Erzählung“ über die Straße als Lösung aller Probleme festzuhalten, die ungenutzten Potentiale der Region sichtbarer zu machen und zu nutzen.

Prof. Dr. Werner Rothengatter, emeritierter Professor für Wirtschaftspolitik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), stellte die EU-Verordnung zu den Transeuropäischen Netzen Verkehr (TEN-T) vor und kritisierte in diesem Zusammenhang: „Die Bundesverkehrswegeplanung ist nicht zielorientiert und folgt vielmehr dem vom ITF (International Transport Forum der OECD) als nicht nachhaltig kritisierten Prinzip des ‚predict and provide‘ (Planung auf Grundlage von trendbasierten Prognosen) anstelle des nachhaltigen Prinzips des ‚decide and provide‘ (Planung auf Grundlage einer zielkonformen Netzgestaltung).“

Wulf Hahn, geschäftsführender Gesellschafter der Fachagentur für Stadt-, Verkehrs-, Umwelt- und Landschaftsplanung RegioConsult aus Marburg, stellte seine „Fachgutachterliche Stellungnahme zum Bericht des Bundesrechnungshofs zum NKV (Nutzen-Kosten-Verhältnis) für den 4-streifigen Ausbau der B10 zwischen Pirmasens und Landau“ vor. Nachdem der Bundesrechnungshof vom Bundesverkehrsministerium bisher vergeblich eine Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV) gefordert hatte, übernahm Hahn dies in seinem Gutachten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das NKV für alle Teilvorhaben alleine durch die gestiegenen Baukosten unter eins sinke, obwohl andere kritische Aspekte wie ein überschätzter Nutzen und die mangelhafte Berücksichtigung von Klima- und Umweltschäden nicht berücksichtigt worden seien. Projekte mit einem NKV unter eins gelten in der Systematik des Bundesverkehrswegeplans als nicht bauwürdig.   

Abschließend beleuchtete Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß, Kanzlei Baumann Rechtsanwälte, den Bundesverkehrswegeplan und seine Konstruktionsfehler. Sie schilderte eindrücklich, wie aus der groben Vorstellung eines Bedarfs (Bundesverkehrswegeplan) in mehreren Schritten und vielen Jahren eine konkrete Planung entstehe, die mit einem Planfeststellungsbeschluss ende. In diesem langen Prozess finde erst im Planfeststellungsverfahren, also im letzten Schritt, eine Beteiligung von Bürger*innen und Verbänden statt. Auch ein juristisches Vorgehen sei erst gegen den Planfeststellungsbeschluss möglich. Falls eine Planung dann in einem Gerichtsverfahren gekippt werde, sei viele Jahre umsonst geplant worden. Heß machte einige Vorschläge, die zu einer fachlich besseren und effizienteren Bedarfsplanung führen würden. So sollten Umwelt- und Klimaziele von Anfang an berücksichtigt werden. Die Öffentlichkeitsbeteiligung solle gleich bei der Anmeldung von Vorhaben (also ganz zu Beginn) erfolgen und bereits auf Ebene des BVWP solle ein Rechtsschutz möglich sein.

„In den Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich, dass der BVWP nicht dazu geeignet ist eine zukunftsfähige Verkehrsplanung zu erstellen. Andere Länder sind da schon deutlich weiter. Beispielsweise werden in Österreich nur noch Projekte geplant, die zum Klimaschutz beitragen, und europäische Natura 2000-Schutzgebiete sind für Trassen tabu“, fasst Michael Carl, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender und Sprecher des AK Energie und Klimaschutz, wichtige Aspekte der Tagung zusammen und ergänzt: „Alle Expert*innen waren sich darin einig, dass der 4-streifige Ausbau der B 10 nicht sinnvoll, sondern nachteilig ist. Das bestärkt uns darin, weiter gegen den Ausbau der B 10 und für den Schutz des Biosphärenreservates zu kämpfen.“

Die Veranstaltung wurde unterstützt von der BI Queichtal und dem großen elsässischen Umweltverband Alsace Nature.

Für Rückfragen

  • Michael Carl, 02620 8416
  • Sabine Yacoub, 0174-9971892

 

Weitere Infos auf der Fachseite www.bund-rlp.de/b10

 

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